musikblatt magazine
January, 1994

Die Zupfdohle

Von Wieland Ulrichs

Soweit zur Erbauung, jetzt kommt Material für die gitarrologische Saalschlacht des Jahres. Seit 1983 lebt ein gebürtiger Malaie in den USA, wo er als Gitarrendozent tätig ist. Passend zum Projekt neuer Bach-Transkriptionen hat er sein Label benannt:

Philip Hii:
J.S. Bach - New Transcriptions

Was einen kritischen Hörer noch relativ ruhig läßt, ist das längst von Gitarristen vereinnahmte Präludium samt Fugu und Allegro BWV 998. Ruhig? Die Fuge, schon von der Anlage der Komposition her nicht unproblematisch, finde ich vergleichsweise dröge. Aber das Allegro ist unglaublich! Reiner Stutz sprict von "enormer Geschwindigkeit", so kann man ein Understatement auch formulieren.

Los geht die CD mit der Chromatischen Fantasie und Fuge BWV für Cembalo, wobei Ihnen von Start ab die Ohren klingen werden, garantiert: der mann ist nicht nur unglaublich schnell, er spielt mit einer solchen Musikalität un zugleich analytischen Sprache, daß mir jedenfalls die Transkribitis-Sünde gleichgültigbleibt. Dann folgt der Orgel-Choral "Nun komm' der Heiden Heiland", Bachs zweite Version BWV 659, später noch einer, nämlich "Ich ruf' zu dir, Herr Jesu Christ", BWV 639, beides nett, aber wohl eher unwichtiges Beiwerk, übrigens von Busoni schon mal fürs Klavier an Land gezogen. Bei den langsameren Stücken fällt insgesamt eine Art romantischer Herangehensweise auf, von einem Vibrato secco konterkariert und von zahlreichen Zerlegungen wiederum unterstrichen. Fürs Repertoire bemerkenswert ist die e-moll-Sonate für Violine und B.C. BWV 1023; nicht erst die obligate Gigue packt, auch der Start des Allegro - Adagio ist atemberaubend.

Den Schluß der CD have ich schon einmal gehört; Schwesterchen Yamashita brach vor Jahren in Mettmann gnadenlos und Takt für Takt ein mit der berühmten Toccata und Fuge BWV 565 für?Orgel. Wenn man schon so was macht, dann muß man's, bittschön, auch beherrschen. Philip Hii kann! Eigentlich schade: es hört auf wie mit einem ganz großen Fragezeichen...

Und wer dem in drei Sitzungen aufgenommenen Tonträger nicht glauben mag: in Spätsommer kommt Hii nach Deutschland, heißt es.

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